Der neue Hebammenhilfe-Vertrag: Warum er für uns Hebammen ein Rückschritt ist und was du jetzt tun musst

Hebammenhilfevertrag - Freiberufliche Hebammen und Kritik DHV

Vielleicht geht es dir wie uns und hunderten anderer Hebammen, mit denen ich in den letzten Jahren zusammenarbeiten durfte: Du liest die offiziellen Meldungen zum neuen Hebammenhilfe-Vertrag, der ab November 2025 unsere Realität wird, und spürst vor allem eines: ein tiefes Unverständnis und eine wachsende Sorge. Es wird von „fairer Vergütung“ und „Modernisierung“ gesprochen, doch was bei freiberuflichen Hebammen in der Praxis ankommt, fühlt sich wie ein Schlag ins Gesicht an.

In diesem Artikel möchte ich Klartext mit dir reden – von Unternehmensberater für Hebammen und Schulungsanbieter zu Hebamme, basierend auf meiner langjährigen Erfahrung als Berater auf und dem ständigen Austausch mit unseren Kunden. Wir schauen uns ungeschönt an, was der neue Hebammenhilfe-Vertrag wirklich bedeutet und warum das Mantra der Effizienz, das wir uns hart erarbeitet haben, nun bestraft wird. Aber vor allem zeige ich dir, welche strategischen Schritte du jetzt einleiten musst, um deine Freiberuflichkeit und deine finanzielle Unabhängigkeit zu schützen.

Die bittere Wahrheit: Was der neue Hebammenhilfe-Vertrag für deine effiziente Arbeit bedeutet

Erinnerst du dich an die Zeit und das Geld, das du in Fortbildungen, Prozessoptimierung und dein Qualitätsmanagement investiert hast? All das, um den Frauen und Familien eine qualitativ hochwertige Betreuung zu bieten, ohne dabei unnötig Zeit zu verschwenden. Du hast gelernt, Probleme schnell zu erkennen, klare Anweisungen zu geben und einen Wochenbettbesuch, bei dem alles in Ordnung ist, auch mal nach 10 oder 15 Minuten mit einem guten Gefühl für alle Beteiligten zu beenden. Du hast gelernt, Hilfe zur Selbsthilfe zu vermitteln.

Genau diese Professionalität und Effizienz, auf die auch die Familien vertrauen, wird durch den neuen Hebammenhilfe-Vertrag bestraft. Das neue System belohnt nicht die gute Arbeit, sondern die abgesessene Zeit.

Von Pauschalen zur 5-Minuten-Taktung: Eine kritische Analyse der neuen Zeitvergütung im Hebammenhilfe-Vertrag

Das Herzstück der „Modernisierung“ ist der Wegfall der bewährten Pauschalen zugunsten einer Abrechnung in 5-Minuten-Intervallen. Was der GKV-Spitzenverband UND der Deutsche Hebammenverband (es war eine Forderung des DHV…) als Fortschritt verkauft, ist für die meisten von uns ein enormer wirtschaftlicher Rückschritt.

Der Mythos der „fairen“ Vergütung: Dein Stundenlohn sinkt

Lass uns das an einem ganz konkreten Beispiel durchrechnen. Nehmen wir einen unkomplizierten Wochenbettbesuch, bei dem du schnell siehst, dass es Mutter und Kind gut geht.

Neuer Hebammenhilfe-Vertrag - Gegenüberstellung - Hebammen QM und mehr

Du siehst das Problem sofort. Um auf das gleiche Honorar wie bisher zu kommen, musst du deine Anwesenheit bei der Familie mehr als verdoppeln. Das hat gravierende Folgen:

  • Dein realer Stundenlohn sinkt drastisch.
  • Du kannst pro Tag deutlich weniger Familien betreuen.
  • Du wirst gezwungen, Termine künstlich in die Länge zu ziehen, was dem Vertrauensverhältnis schadet und dem Wunsch vieler Familien widerspricht.
  • Die flexible und bedarfsgerechte Methode, bei einem Problem lieber am nächsten Tag noch einmal kurz vorbeizuschauen, anstatt einen Termin ewig auszudehnen, wird wirtschaftlich unmöglich.

Kommunikation im Wandel: Warum der neue Hebammenhilfe-Vertrag das Telefon liebt und die E-Mail hasst

Neuer Hebammenhilfe-Vertrag - keine asynchrone Kommunikation möglich

Eine weitere massive Verschlechterung betrifft unsere tägliche Kommunikation. Bisher konnten wir eine Beratung per E-Mail oder Messenger ganz regulär über die bestehenden Positionen für Hilfe in der Schwangerschaft oder im Wochenbett abrechnen. Das war effizient und praxisnah.

Der neue Hebammenhilfe-Vertrag schiebt dem einen Riegel vor.

Die gefährliche Einschränkung auf „synchrone Kommunikation“

Der Vertrag sieht eine Vergütung nur noch für synchrone Kommunikation vor – also Telefonate oder Videoanrufe, die in Echtzeit stattfinden.

Achtung: Enorme Einschränkung für deine Praxis! Nach aktuellem Stand des neuen Hebammenhilfe-Vertrags ist die schriftliche Beratung per E-Mail, SMS oder Messenger nicht mehr über die GKV abrechenbar. Das bedeutet, dass ein großer Teil deiner täglichen, effizienten Kommunikationsarbeit unbezahlt bleiben soll.

Das ist ein realitätsferner Rückschritt, der uns zwingt, für jede Kleinigkeit einen Telefontermin zu vereinbaren, anstatt schnell und unkompliziert schriftlich zu antworten.

Und noch mehr Schatten: Ausfallzahlungen und Fehlstunden

Laut Aussagen des Deutschen Hebammenverbandes dürfen Fehlstunden aus Kursen nicht privat in Rechnung gestellt werden.

Ein Zitat aus dem Hebammenhilfe-Vertrag §1 Leistungsvergütung Absatz 2 Punkt 3:

Der Versicherten und der Krankenkasse dürfen keine Mehrkosten für in diesem Vertrag geregelte Leistungen entstehen. Dies gilt insbesondere für:
[…]
3. für bereits abgegoltene Auslagen (z.B. Benzin, Hard- und Software, Raummiete, Ausfälle für Kursstunden, an denen die Versicherte nicht teilnimmt).

Dies sehe ich etwas anders als der DHV. Der Vertrag räumt an mehreren Stellen der Hebamme ein, Wahlleistungen anzubieten und ich sehe auch das Vertragsrecht hier greifend. Mit einem wichtigen Zusatz, um keinen „schwerwiegenden Vertragsverstoß“ zu begehen (§ 13 Vertragsverstöße, Absatz 7, Punkt 8):

Abrechnung entgegen dem Sachleistungsprinzip, z.B. durch Privatrechnungen an die
Versicherte, die bei der Krankenkasse zur Erstattung eingereicht werden sollen

Mein Ansatz wäre, in den Rechnungen für die Fehlstunden explizit hinzuweisen, dass die Kosten der Fehlstunde nicht bei den Krankenkassen eingereicht werden dürfen. Wenn die KursteilnehmerIn den Kurs-AGB zugestimmt hat, in denen das auch noch drin vermerkt ist, sehe ich keinen Bruch des Vertrags.

Deine strategische Konsequenz: Der Fokus muss jetzt auf IGeL und Selbstzahler-Angeboten liegen

Wenn du dir all das ansiehst, bleibt nur eine logische unternehmerische Schlussfolgerung: Du kannst dich nicht mehr allein auf die GKV-Abrechnung verlassen. Um deine Praxis wirtschaftlich abzusichern und deine Freiheit als Freiberuflerin zu bewahren, musst du dein Angebot aktiv erweitern.

Der neue Hebammenhilfe-Vertrag zwingt uns quasi dazu, den Fokus auf Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) und reine Selbstzahler-Angebote zu legen.

Entwickle Premium-Pakete

Schnüre attraktive Pakete für Selbstzahler, die genau das beinhalten, was die GKV nicht mehr bezahlt. Zum Beispiel ein „Sorglos-Wochenbett-Paket“ mit garantierter Erreichbarkeit per Messenger.

Biete Spezialkurse an

Konzipiere Kurse jenseits des GKV-Katalogs, für die eine hohe Nachfrage besteht (z.B. Babyschlaf-Coaching, Beikost-Workshops, Trageberatung).

Vermarkte deine Zusatzleistungen

Biete bewährte Methoden wie Taping oder Lasertherapie als private Leistung an und lerne, den Wert dieser Angebote selbstbewusst zu kommunizieren.

Wenn du unsicher bist, wie du diesen Wandel gestalten und neue, profitable Angebote für deine freiberufliche Hebammenarbeit entwickeln kannst, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, dich damit zu befassen. Auf meiner Beratungsseite https://einfach-hebamme.de/freiheit findest du Ansätze und Unterstützung, wie du deine unternehmerische Freiheit zurückgewinnst und deine Arbeit trotz des neuen Hebammenhilfe-Vertrag zukunftssicher aufstellst.

Fazit: Dein Weg in die Zukunft nach dem Hebammenhilfe-Vertrag

Liebe Hebamme, der neue Hebammenhilfe-Vertrag ist eine ernst zu nehmende Herausforderung für deine Freiberuflichkeit. Er stellt unsere bewährten und effizienten Arbeitsweisen auf den Kopf und zwingt uns zu einem radikalen Umdenken.

Hör auf dein unternehmerisches Bauchgefühl: Wenn sich etwas wie ein Rückschritt anfühlt, ist es das meist auch. Warte nicht ab, bis die Änderungen dich 2025 mit voller Wucht treffen. Nutze die Zeit bis dahin, um deine Strategie anzupassen, neue Einnahmequellen zu erschließen und deine Unabhängigkeit vom GKV-System zu stärken. Deine Expertise ist wertvoll – es ist an der Zeit, dass sie auch entsprechend honoriert wird, notfalls eben außerhalb der starren Grenzen des neuen Vertrags.

Andre Teetzen – Experte für freiberufliche Hebammenarbeit, Qualitätsmanagement und alles rund um deine Freiberuflichkeit

15 Juni, 2025

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